2. CIMA-Workshop Innenstadtmanagement Minden: Fokusgruppe Eigentümer*innen

2. CIMA-Workshop Innenstadtmanagement Minden:
Fokusgruppe Eigentümer*innen

2. CIMA-Workshop Innenstadtmanagement Minden:
Fokusgruppe Eigentümer*innen

Autor Edgar Wilkening

 


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ew@dasherzderstadt.de

Wer nach dem ersten Workshop „Innenstadtmanagement“, den die Beratungsgesellschaft CIMA am 25. April 2022 in Minden durchgeführt hatte, schon dachte: „Schlimmer geht’s nimmer“, wurde beim Folge-Workshop eines Besseren belehrt. Schlimmer geht offenbar immer.

Dienstag, 14. Juni 2022, 18:00 Uhr. Draußen winkt ein launig-sonniger Sommerabend. Es sollte also gute Gründe geben, warum Menschen den Abend nicht im Sonnenschein, sondern in Workshop-Gruppen verbringen. Leider blieben die Einlader diese guten Gründe bis zum Ende schuldig.

Etwa vierzig Menschen hatten sich auf Einladung des Bürgermeisters im StartMiUp eingefunden zum „2. Workshop Innenstadtmanagement“, diesmal mit der „Fokusgruppe Eigentümer*innen“.

Nach der Begrüßung und einem impulslosen Impulsvortrag wurden die Teilnehmer in vier Workshop-Gruppen einsortiert. Wer in welche Gruppe kam, wollten die Einlader offenbar weder dem Zufall noch den Anwesenden selbst überlassen. Die Stadtverwaltung hatte die Gruppen vorab penibel festgelegt. Nach welchen Kriterien, wurde nicht erklärt.

So blieb der Eindruck, dass man auf diese Weise Eklats wie im ersten Workshop vermeiden wollte, indem man potenziell kritische Stimmen schon im Vorfeld wegsortiert und einhegt.

Was hätte man nicht alles besprechen können!

In allen vier Workshop-Gruppen wurden die selben Fragestellungen besprochen. Ach – was hätte man nicht alles fragen können, wenn man schon mal so viele hochkarätige Innenstadt-Eigentümer an einem Ort beisammen hat!

Zum Beispiel Dinge wie: „Welche Perspektive sehen Sie für Ihre Innenstadt-Immobilie?“ – „Was sind Ihre Sorgen und Nöte?“ – „Was sind Hindernisse, mit denen Sie zu tun haben?“ – „Wobei könnte Stadtverwaltung Ihnen behilflich sein?“ – „Oder wo drückt Sie sonst der Schuh?“ Hätte man alles fragen können.

Aber nein, hat niemand gefragt, hat niemanden interessiert. Keine dieser Fragen wurde gestellt. Nicht in der Workshop-Gruppe, der der Autor zusortiert worden war, und auch nicht im Plenum.

Stattdessen ging es um Fragen wie: „Wenn Sie Leerstand haben, wie vermarkten Sie den: Direktansprache, Inserat, über Plattformen oder per Makler?“

Herrgott nochmal – was soll man antworten bei derart *brisanten* Fragen? Kein Wunder, dass alle Workshop-Gruppen zum gleichen Ergebnis kamen: Natürlich werden alle Wege genutzt. Ach! Echt jetzt? Ja. Mal gleichzeitig, mal gestaffelt nacheinander – mal mehr Direktansprache, mal weniger Inserat …

Erkenntnisgewinn: Null. Neuigkeitswert: Nullkommanull.

Und so *brisant* ging es dann auch weiter: „Planen Sie Renovierungsarbeiten? Investieren Sie in Ihre Immobilie?“

Man muss kein Berater sein und auch kein Immobilienprofi, um sich auszumalen, wie die Antworten lauteten: Wenn konkreter Bedarf ist, wird renoviert – wenn investiert werden muss, wird das gemacht.

Für die Berater der CIMA waren solche Aussagen so bemerkenswert, dass sie sofort auf dem hippen Miro-Board notiert werden mussten. Und wen wundert’s: natürlich in allen vier Workshop-Gruppen mit prinzipiell gleichem Wortlaut. Sagenhaft!

„Wenn Sie neu vermieten, achten Sie darauf, dass der neue Mieter zum Umfeld passt? Oder sagen Sie: Ist mir egal, Hauptsache vermietet?“ – „Kennen Sie Ihre Nachbarn und haben Sie ein Netzwerk mit denen? Möchten Sie die gerne kennenlernen?“ – „Wie gehen Sie mit Mieterwünschen um? Und wer trägt die Kosten?“ – „Kennen Sie die Förderprogramme des Landes NRW?“ –  „Würden Sie einer Zwischennutzung zustimmen, oder wie stehen Sie dazu?“

… so ging das fast anderthalb Stunden. Eine Banalität folgte auf die nächste. Plattitüden-Plauderstündchen mit der CIMA. Belanglosigkeit zu Beraterhonoraren. Jeder durfte mal was sagen, jeder einen Schwank erzählen. Willkommen beim Wohlfühl-Wischiwaschi.

Fragen nach Missständen? Nach strukturellen Problemen? Fehlanzeige.

„Es fühlte sich an wie therapeutischer Gesprächskreis“, sagte mir eine Teilnehmerin später.

Sie war auch diejenige, die den klügsten Satz des Abends zur Analyse der Innenstadtprobleme sagte. Auf die bunten Miro-Zettelchen schaffte es der aber nicht. Zu klug offenbar. (Ich schreibe ihn hier ebenfalls nicht hin. Er wird demnächst zentraler Aufhänger einer größeren Analyse werden.)

Wenn dann ausgerechnet der Verwaltungs-Mitarbeiter, Bereich Stadtentwicklung, der wohl als Aufpasser mit in der Gruppe saß, da er offensichtlich nicht zu den Eigentümern zählt – wenn also ausgerechnet der dann sagt, er habe gerade ganz viel Neues erfahren, stellt sich die Frage: Sachmal, was macht Ihr da im Rathaus eigentlich den ganzen Tag – außer Kaffeetrinken und Urlaubstage zählen …?

Fazit am Ende des Abends: Man hätte den lauen Sommerabend besser im Sonnenschein verbringen sollen – statt in den lauen Workshop-Gruppen der CIMA.

Immerhin: Wenigstens der Bürgermeister zeigte sich im Schlusswort zufrieden. Für ihn und seine Mannschaft läuft scheinbar alles nach Plan. Offenbar haben sie genau den Workshop geliefert bekommen, den sie bestellt hatten. Das allerdings lässt das Schlimmste befürchten.

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Autor Edgar Wilkening

 


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Schon beim Impulsvortrag gleich zu Beginn zeichnete sich ab, wohin der Hase laufen sollte. Und wen auf jeden Fall keine Schuld trifft an der Misere.

Montag, 25. April 2022, 18:00 Uhr. Keine dreißig Menschen hatten sich auf Einladung der Wirtschaftsförderung der Stadt Minden eingefunden, um im Gründerzentrum „StartMIup“ über das Thema „Innenstadtmanagement“ und die grassierende Leerstandswelle zu sprechen.

Mit der Durchführung des Workshops war die Beratungsgesellschaft Cima aus Hannover betraut worden. Deren Projektleiter stellte im Eröffnungsvortrag klar, wer bzw. was für die zahlreichen Leerstände in Städten allgemein verantwortlich sei.

Wenig überraschend: das böse Internet ist schuld.

Allen voran natürlich Marktführer Amazon. Aber natürlich auch die Verbraucher, die immer öfter bequem per Alexa ordern statt die Innenstädte aufzusuchen.

Und wer noch? Na klar, die gierigen Grundeigentümer, die mit überzogenen Mietforderungen den Wandel blockieren, gleichzeitig aber dringend erforderliche Modernisierungen verschleppen.

Und mit diesem Szenario war auch schon von Anfang an klar, wen jedenfalls keine Verantwortung trifft an der Misere: die Verwaltung nicht, die Kommunalpolitik nicht und erst recht nicht deren Berater. 

Im Gegenteil. Politik und Verwaltung durften sich ausdrücklich gelobt fühlen vom Cima-Projektleiter: Minden habe seine Fußgängerzone saniert und damit einen wichtigen Schritt getan.

Dass die Verantwortlichen die Mindener Fußgängerzone zu einer identitätslosen Einkaufsrinne zum Durchkärchern gemacht haben – kein Wort darüber. Stattdessen Lob: Damit stünde Minden besser da als andere Städte.

Womit auch der Referenzpunkt für diesen Workshop festgelegt war.

Bloß nicht nach oben orientieren, sich bloß nicht an jenen Städten messen, die sehr erfolgreich agieren und ernsthafte Konkurrenten sind. Sondern immer schön nach unten gucken, auf die Städte, denen es noch schlechter geht. Dann ist das eigene Problem gleich viel kleiner.

So viel Milde mit Politik und Verwaltung kommt womöglich nicht von ungefähr. Immerhin stellten die drei Interessengruppen Politik, Verwaltung und Berater am Montagabend weit über die Hälfte aller Teilnehmer.

Die Parteien hatten ihr Spitzenpersonal geschickt. Die Verwaltung ebenso, vom Bürgermeister über Baubeigeordneten bis runter ins mittlere Management. Und allein die Berater der Cima waren mit sage und schreibe sechs Leuten aufgelaufen – was einem Verhältnis von jeweils 1 Berater auf 3,5 übrige Teilnehmer entspricht. Bemerkenswert!

Da wäre Kritik an Stadtrat und Verwaltung womöglich kontraproduktiv gewesen. Immerhin arbeitet die Cima nach Aussage des Projektleiters seit über zwanzig Jahren für die Stadt Minden – und möchte wohl auch gerne weitere zwanzig Jahre von einem stets zufriedenen Kunden „Stadt Minden“ beauftragt werden.

Wo ich herkomme, sagt man dazu: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Denkbar schlechte Voraussetzungen, um einer ernsten Problematik ernsthaft auf den Grund zu gehen. Eher der Nährboden für windelweiche Wischiwaschi-Ergebnisse – wie sich später bewahrheiten sollte.

Jedenfalls war die Zahl anwesender Grundeigentümer und Gewerbetreibender aus der Innenstadt, also der direkt Betroffenen, überschaubar: deutlich kleiner als die Zahl der Personen aus Verwaltung, Politik und Beratung. Hatte man das extra so gesteuert? Damit eventuell aufkeimende Kritik der tatsächlich Betroffenen schnell wieder eingefangen werden kann?

Auffällig auch, dass manche Gewerbetreibende später auf Nachfrage von Das Herz der Stadt, warum sie nicht am Workshop teilgenommen hätten, antworteten: „Wir haben gar keine Einladung bekommen.“

Ebenfalls auffällig: Die Immobilieneigentümer erhielten ihre Einladung zur Teilnahme schon gut vier Wochen vor dem Workshop-Termin. So auch der Autor (der gemeinsam mit Architektin Astrid Engel Eigentümer der Liegenschaft Obermarktstraße 19 ist).

Aus den Reihen der Politik ist dagegen zu hören, dass deren Einladungen deutlich später, nämlich nur etwa eine Woche vor dem Termin eintrafen. Hat da jemand bewusst nachgesteuert und nachträglich eingeladen, um erstens: die Bude noch halbwegs vollzukriegen, und zweitens: potenziellen Kritikern etwas entgegenzusetzen?

Es waren jedenfalls nicht die einzigen Sonderbarkeiten dieses Workshops.

Nach dem Impulsvortrag folgte die Standortanalyse für Minden. Die Liste der Leerstände, die die Cima präsentierte, erwies sich als unvollständig. Mindestens in der Obermarktstraße fehlte die Fläche des früheren Fotogeschäfts Oehlmann. Dass dieser Laden seit langem geschlossen ist, war den Cima-Leuten wohl entgangen. Schließlich sieht das Schaufenster immer noch gut bestückt aus.

Hätte man allerdings mal jemanden im Umfeld gefragt, hätte man den tatsächlichen Sachstand erfahren können: Der Ladenbesitzer ist im vergangenen Jahr verstorben – jetzt schlägt man sich mit Erbschaftsangelegenheiten und Insolvenz rum – das kann alles noch dauern – öffnen wird das Geschäft nie wieder …

Immerhin erfuhren die Workshop-Teilnehmer, dass es bei der Bestandsaufnahme der Innenstadt durch die Cima-Berater Anfang April geschneit hatte. Tja, wichtige Informationen sind wichtige Informationen.

Nach der Standort-Analyse ging es für die Teilnehmer in drei verschiedene Arbeitsgruppen. Eine davon sollte sich mit dem Thema „Quartiere und deren Entwicklung“ befassen.

Und dort muss es offenbar zum Eklat gekommen sein.

Eine Teilnehmerin der Arbeitsgruppe berichtet: Der Moderator stellte eingangs die Frage, was toll sei an Minden. Großes Schweigen in der Runde. Dann eine der wenigen Gewerbetreibenden knapp: „Nichts.“

Ein vernichtendes Urteil. Zugespitzt, sicher. Aber drastisch in seiner Klarheit. Und es blieb wohl nicht das einzige. Mehrere in der Gruppe äußerten offenbar deutliche Kritik am über Jahrzehnte gepflegten Status quo.

In der späteren Abschlussrunde im Plenum schmunzelte der Gruppenmoderator beim Rapport: Da habe wohl „erst ein bisschen Dampf abgelassen werden“ müssen. Dampf? Ist das der richtige Weg, um kritische Kommentare aus der Basis der Gewerbetreibenden angemessen einzuordnen?

Der Bürgermeister sprang den treuen Auftragnehmern in seinem Abschluss-Statement brav zur Seite und verlautete zum Thema Dampf, es würde wenig bringen, sich mit Schwächen zu befassen; man müsse seine Stärken stärken, dann wäre man auf einem guten Weg.

Es waren überhaupt die Schlüsselaussagen in diesem Workshop, auch in den anderen Arbeitsgruppen.

„Wir sind auf einem guten Weg.“ – „Das machen wir ja schon.“ – „Das haben wir schon mal probiert.“ Selten habe ich selbstzufriedene Sätze wie diese so häufig in einem Workshop-Kontext gehört wie an diesem Abend.

Da stellt sich die Frage: Warum gibt es überhaupt ein Problem in Minden, wenn man doch alles schon macht – alles schon probiert hat – oder sowieso auf einem guten Weg ist?

Sieht so die schonungslose Bestandsaufnahme aus, auf deren Grundlage überhaupt erst wirksame und nachhaltige Lösungen entwickelt und umgesetzt werden können?

Die Vorschläge, die zur Besserung der Situation der Innenstadt gemacht wurden, waren entsprechend schlicht. Alle richtig in ihrer Schlichtheit, wohlgemerkt. Aber eben schlicht. Da kann auch Miro als hippes digitales Workshop-Tool nicht drüber hinwegtäuschen.

Ein bisschen mehr Müll einsammeln von den Straßen. Ein bisschen mehr Veranstaltungen in der Stadt. Ein bisschen öffentliche Toiletten. Ein bisschen mehr Wochenmarkt, vielleicht auch mal abends. Und natürlich: Gründer und Start-ups fördern. Die werden es dann schon richten. Dann wird die Innenstadt schon wieder aufblühen und die Leerstände in Luft auflösen.

Dass es strukturelle Gründe geben könnte für das Veröden der Mindener Innenstadt, dass es hausgemachte Gründe geben könnte – kein Wort davon.

Stattdessen der Bürgermeister, der zufrieden verlautbart: Glauben Sie mir, ich bin oft beim Städtetag – was ich da höre aus anderen Städten, dagegen geht’s bei uns richtig gut.

Da war er wieder: der Mindener Referenz-Blick nach unten, auf die, denen es noch weitaus mieser geht. Das selbstzufriedene Auf-die-Schulter-klopfen von Politik und Verwaltung: Dollen Job machen wir – anderen geht’s immerhin schlechter. Und schon wird aus einem ernsthaften Problem nur noch ein klitzekleines „Problemchen“. Ergo: Problem gelöst.

„Haben Sie irgendetwas Neues gehört heute Abend?“, fragte ich einen der Teilnehmer beim Verlassen des Gebäudes. Der lachte und schüttelte den Kopf:

„Wir reden hier seit dreißig Jahren immer wieder über das Gleiche.“

Seit dreißig Jahren? Das würde bedeuten: seit den Neunzigern des letzten Jahrhunderts.

Wohlgemerkt: Damals steckte die kommerzielle Nutzung des Internet noch in den Kinderschuhen. Das böse Shopping-Monster Amazon war noch nicht mal gegründet. Ein iPhone ferne Zukunftsmusik. Und jetzt sind diese Neuerungen plötzlich verantwortlich für den Niedergang der Mindener Innenstadt?

Nein – hier wollen interessierte Kreise nicht über die tatsächlichen Ursachen der Misere reden. Erst recht nicht aus Politik und Verwaltung. Denn sie haben maßgeblichen Anteil an diesem Niedergang.

Lieber schiebt man die Schuld auf andere. Und veranstaltet Workshops, die unterm Strich wenig bis gar nichts bringen – außer vielleicht einem SUV-Händler in Hannover den Auftrag für ein neues Firmenfahrzeug mit Vollausstattung.

Es sind Feigenblatt-Workshops, die notdürftig verdecken sollen, dass man gerne weiterwurschteln möchte wie bisher. Zwischen 12.000 und 18.000 Euro schätzen Brancheninsider die Kosten für einen Workshop wie den am Montag (inklusive Vor- und Nachbereitungen). Dabei war er ohnehin nur Teil eines größeren Beauftragungspakets, das noch bis Ende 2023 laufen soll.

Gesamtkosten? Geheim. Ergebnis? Offen. Nutzwert? Fraglich.

Geld des Steuerzahlers, das rausgeschmissen wird nur zu dem einen Zweck: Damit man weiterschludern kann wie eh und je, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, man habe nicht wenigstens die Betroffenen mit einbezogen oder mal angehört. Reines Demokratie-Theater zur Selbstabsicherung der Verantwortlichen.

Jeder, der ernsthaft Interesse daran hätte, die Innenstadt zu beleben und Minden zu einem blühenden Standort zu entwickeln, würde das Problem anders anpacken. Nämlich bei den Ursachen. Und dazu als erstes eine gründliche Bestandsaufnahme machen. Selbst wenn die drastisch ausfallen sollte.

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Autor Edgar Wilkening

Autor: Edgar Wilkening.
Entwickelt seit über dreißig Jahren strategische Konzepte für Marken, Unternehmen und Institutionen. Wurde dutzendfach mit Awards ausgezeichnet für herausragende Arbeiten.

Es ist wahrscheinlich einer der klügeren Vorschläge, die gemacht wurden, um Mindens historisches Ensemble an der Martinitrepe nicht für immer durch eine monströse Fahrstuhl-Konstruktion zu verschandeln: ein Shuttle-Busservice, der die Unterstadt und die Oberstadt barrierefrei verbindet – womöglich sogar quer durch die Innenstadt bis zum Wesertor.

Im Sommer 2021 hatten wir den Vorschlag (neben einem Concierge-Service) erstmals als Alternative zum Fahrstuhl-Konzept ins Gespräch gebracht.

Und dann vor wenigen Tagen die ganz praktischen, wirtschaftlichen und auch regionalen Vorzüge des Shuttle-Bus im Vergleich dargestellt.

Genau heute, am 7. April 2022, stellt sich heraus: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) würde unseren Vorschlag womöglich mit bis zu 100.000 Euro netto (119.000 Euro brutto) fördern. Denn genau heute hat das Ministerium eine Projektförderung für Elektromobilitätskonzepte veröffentlicht.

Ziel ist, „die Einführung von elektrischen Mobilitätskonzepten“ zu unterstützen. „Im Rahmen des Förderaufrufs können Kommunen, kommunale und gewerbliche Unternehmen Anträge auf die Förderung von anwendungsorientierten Elektromobilitätskonzepten stellen“, heißt es im Aufruf weiter.

Wäre das nicht was für so eine notorisch klamme Kommune wie Minden? Ein elektrisch betriebener Minibus, der Mobilität in der gesamten Innenstadt möglich macht – und dann noch mit einem sechsstelligen Betrag vom Bund gefördert wird? Die Fotomontage oben dient nur der Visualisierung. In Wirklichkeit würde das Fahrzeug wahrscheinlich ganz anders aussehen – je nachdem für welches Modell man sich entscheidet.

Nur schnell muss man sein, wenn man in den Genuss der Förderung durch den Bund kommen will: Die Einreichfrist für Konzepte läuft am Donnerstag, 19. Mai 2022 ab.

Himmelherrgott: Das sind ja kaum noch sechs Wochen ab heute!

Ob man in der Verwaltung in so kurzer Zeit ein einreichfähiges Konzept auf die Beine stellen kann? Man weiß doch, wie beschäftigt alle damit sind, engagierten Bürgern Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Na gut, falls es die Verwaltung nicht schafft – sollen wir hier bei Das Herz der Stadt die einzureichenden Unterlagen vorbereiten? Machen wir gerne.

Mit einem unserer Teams hochkarätiger Experten kriegen wir so was in weniger als zwei Wochen gebacken. Man hilft ja, wo man kann. Nur Bescheid sagen müsste man uns. Einfach eine E-Mail an ew@dasherzderstadt.de – und ich rufe zurück für ein Gespräch. Gar kein Problem.

Damit alles klappt, hier schnell noch der Link, wo man auch die „Förderrichtlinie Elektromobilität“ und den „Aufruf zur Antragseinreichung“ findet. Wäre doch gelacht, wenn Minden das nicht hinkriegen würde. Also los, auf geht’s!

Gern geschehen.

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Entwickelt seit über dreißig Jahren strategische Konzepte für Marken, Unternehmen und Institutionen. Wurde dutzendfach mit Awards ausgezeichnet für herausragende Arbeiten.

Der geplante Fahrstuhl an Mindens Martinitreppe – vor Kurzem war er noch „das Einfachste“ und „das Logischste“. Mindens Baubeigeordneter Lars Bursian bemühte ausdrücklich den doppelten Superlativ, als er den Entwurf am 23. Juni 2021 im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen vorstellte.

Allerdings währte der Segen des doppelten Superlativs nicht allzu lange. Dem Herz der Stadt liegt eine E-Mail aus dem Rathaus vom 13. September 2021, 17:29 Uhr an den „Ältestenrat“ der Stadt Minden vor. Darin spricht der Baubeigeordnete Bursian plötzlich von „unqualifizierten Vorschlägen“, die es im Zusammenhang mit der Martinitreppe gebe.

Unqualifiziert? Hartes Urteil!

Welche Vorschläge er damit meint, geht aus der E-Mail nicht hervor. Aber wir wollten es genau wissen. Denn demnächst müssen sich Mindens Stadtverordnete mit dem Thema Martinitreppe befassen.

Deshalb haben wir den doppelsuperlativen Fahrstuhlentwurf einfach mal ins Verhältnis gesetzt zu zwei Vorschlägen, die wir selbst im Sommer 2021 als Alternativen vorgelegt hatten: einen Concierge-Service und einen Minibus-Shuttle, die beide ebenfalls in der Lage wären zu helfen, den Höhenunterschied zwischen Markt und Oberer Altstadt zu meistern.

Concierge-Service an der Martinitreppe

Vorschlag 1 von Das Herz der Stadt
Der Concierge-Service

Wenn ein Mensch Hilfe braucht zwischen Oberstadt und Unterstadt: Was liegt näher, als ihm einen leibhaftigen Mensch an die Seite zu stellen?

Vorschlag: Wir richten einen persönlichen Concierge-Service ein. Ein, zwei Damen oder Herren in markanten Uniformen, die unten am Markt und oben am Martini-Kirchhof bereitstehen und jedem, der Schwierigkeiten mit der Treppe hat, helfen.

Einen persönlichen Schnack zum Wetter oder den neuesten Tratsch aus der Stadt gibt’s immer noch obendrauf. Freundliche Assistenten, die anpacken, wo es nötig ist. Service par excellence.

Minibus-Shuttle an der Martinitreppe

Vorschlag 2 von Das Herz der Stadt
Der Minibus-Shuttle

Wir schaffen einen Bus-Shuttle zwischen Markt und Martini-Kirchhof. Mini-Busse fahren heute in vielen europäischen Städten. Es gibt sie in diversen Größen und Ausstattungen. Bewährte, ausgereifte Technologie auf Elektrobasis.

Der Fahrer bzw. die Fahrerin ist bei Bedarf behilflich beim Zustieg. Und dann geht’s los – immer im Kreis herum: vom Markt über die Opferstraße hoch zum Martini-Kirchhof, von da weiter über Kampstraße, Hufschmiede runter und zurück über den Scharn zum Markt.

Der Bus hält an vielen Stationen und bietet zahlreiche Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten. Er kann sogar mehrere Routen bedienen: ab Hufschmiede über die Bäckerstraße bis zum Wesertor und von dort über den Domhof zurück zum Markt.

Verglichen haben wir die Vorschläge in acht verschiedenen Kategorien:

    • Investitionsvolumen Wie hoch sind die Investitionskosten?
    • Höhe der Unterhaltskosten Wie hoch sind die laufenden/jährlichen Kosten?
    • Regionalität Bleibt das Geld in der Region oder fließt es ab?
    • Ressourcen-Verbrauch Wie hoch ist der Einsatz klimaschädlicher Ressourcen?
    • Gebietsausweitung Lässt sich das System auf weitere Teile der Innenstadt anwenden?
    • Schwere des Eingriffs Wie massiv wird das historische Bild der Stadt verändert?
    • Möglichkeit zum Testbetrieb Wie gut lässt sich das Konzept testweise mal ausprobieren?
    • Rückbaubarkeit Wie einfach ließe sich das Ganze im Zweifelsfall rückgängig machen?

Allesamt wichtige Aspekte, die natürlich auch die Stadtverordneten des Mindener Rat stets im Auge haben. Darum haben wir das Ergebnis in leicht verständlichen Infografiken aufbereitet. Und sind gespannt, welcher Vorschlag sich da im Sinne des Baubeigeordneten Bursian als „unqualifiziert“ erweist.

Auf geht’s – der Martini-Fahrstuhl im großen Vergleichs-Check!

1. Wie hoch sind die  Investitionskosten im Vergleich?
Grafik: Höhe des Investitionsvolumens

Der Investitionsaufwand für den Martini-Fahrstuhl wurde im Sommer 2021 mit um die drei Millionen Euro beziffert. Wahrscheinlich dürfte der tatsächliche Betrag zwischenzeitlich deutlich höher liegen. Auf jeden Fall ein Multi-Millionen-Projekt. Dagegen nehmen sich der Concierge-Service und der Shuttle-Bus geradezu harmlos aus mit den dafür erforderlichen Investitionssummen (die hier grob kalkuliert wurden). Unter allen drei Vorschlägen der unqualifizierteste, weil mit weitem Abstand teuerste: die Fahrstuhl-Lösung.

2. Wie hoch sind die  laufenden Kosten im Vergleich?
Grafik: Höhe der laufenden Kosten

Die Betriebskosten für den Fahrstuhl wurden im Sommer 2021 mit gut 160.000 Euro pro Jahr beziffert. Auch dieser Betrag dürfte zwischenzeitlich höher ausfallen. Laufende Kosten ergeben sich natürlich auch beim Concierge-Service, vor allem für Gehälter. Bei vier Concierges mit je 40.000 Euro Gehaltskosten käme man damit auf eine ähnliche Summe wie beim Fahrstuhl. Beim Shuttle-Bus schlägt das Gehalt für etwa anderthalb Stellen für Fahrer mit Personenbeförderungslizenz zu Buche (sofern man nicht auf selbstfahrende Fahrzeuge setzt, was allerdings den Investitionsaufwand erhöhen würde). Außerdem Kosten für Betriebsmittel und Wartung. Unterm Strich liegen alle drei Vorschläge etwa gleichauf. Kein deutlich herausstechender Sieger in der Kategorie „Laufende Kosten“.

3. Wieviel des Geldes bleibt in der Region im Vergleich?
Grafik: Wie viel des Geldes bleibt in der Region?

Wo fließt das Geld hin, das die Stadt Minden ausgibt? Beim Fahrstuhl kann ein Teil der Bauarbeiten eventuell von regionalen Bauunternehmen ausgeführt werden. Aber die Fahrstuhltechnik und der damit verbundene Wartungsaufwand wird voraussichtlich an börsennotierte Unternehmen wie Thyssen-Krupp abfließen oder sogar an amerikanische wie Otis. Es bleibt jedenfalls nicht in der Region. Die Ausgaben beim Concierge-Service bestehen vor allem aus Gehältern. Sie blieben in der Region und würden z.B. vier Familien über Jahre ein Auskommen ermöglichen. Der Shuttle-Bus käme sicherlich von einem internationalen Hersteller, aber auch hier blieben die Fahrergehälter über die Jahre in der Region. „Unqualifiziert“ im Hinblick darauf, ob das Geld in der Region bleibt: das Fahrstuhlkonzept.

4. Wie hoch ist der Ressourcen-Verbrauch im Vergleich?
Grafik: Verbrauch von Ressourcen

Für Städte, die sich „klimafreundlich“ nennen wollen, ein ganz entscheidender Faktor: Wie viele Ressourcen werden verbraucht? Da ergibt sich für den Fahrstuhl eine verheerende Bilanz. Die Mengen an Glas, Stahl, Beton und darin verbauter sogenannter „grauer Energie“ sind immens. Insbesondere im Vergleich zu den paar schmucken Uniformen und alle halbe Jahr mal neue Schuhsohlen, die der Concierge-Service benötigen würde. Auch ein Shuttle-Bus besteht aus Stahl und mehr. Allerdings sind die verbauten Mengen in einem Minibus ein Witz im Vergleich zu einem siebzehn Meter hohen Fahrstuhl-Turm mit weiteren dreißig Meter Brücke. Unqualifiziertester Vorschlag in der Kategorie „Ressourcen-Verbrauch“: erneut mit Abstand das Fahrstuhl-Projekt.

5. Wie gut lässt sich der Wirkungskreis erweitern im Vergleich?
Grafik: Erweiterbarkeit des Wirkungskreises

Ein Fahrstuhl kann nur rauf und runter – mehr nicht, das dicke, dumme Ding. Sein Wirkungsradius ist exakt auf die Position beschränkt, an der er steht. Erweiterbarkeit auf andere Bereiche der Innenstadt? Fehlanzeige. Wie anders der Concierge-Service. Der ist nicht zwingend an die Martinitreppe gebunden, sondern könnte auch an der Opferstraße zum Einsatz kommen, oder an der Hufschmiede. Und mehr noch der Shuttle-Bus: Er könnte verschiedene Routen bedienen – nicht nur zwischen Markt und Oberstadt, sondern auch bis zum Wesertor und wieder zurück. Maximale Erweiterbarkeit in der gesamten Innenstadt. Und der Fahrstuhl schneidet schon wieder als „unqualifiziert“ ab.

6. Wie gravierend ist der Eingriff ins Stadtbild im Vergleich?
Grafik: Schwere des Eingriffs ins Stadtbild

Wie gravierend ist der Eingriff ins Stadtbild? Der Fahrstuhl wird von der Martinitreppe aus die Sicht auf das historische Rathaus verbauen – und die Blickachse zur Martinitreppe vom Markt aus massiv beeinträchtigen. Wie wohltuend dagegen die Concierges. Sie tragen dezente, schmucke Uniformen und fügen sich damit in das historische Stadtbild ein. Der Minibus ist natürlich sichtbar, aber da er meist unterwegs ist, beeinträchtigt er das Stadtbild niemals dauerhaft und nicht massiv. Grandios unqualifiziert in dieser Kategorie: nochmal der Fahrstuhl. 

7. Wie gut lässt sich das Konzept testweise ausprobieren im Vergleich?
Grafik: Möglichkeit des Testbetriebs

Wie schnell und unkompliziert lässt sich testen, ob eine Lösung funktioniert oder nicht – ohne sich gleich alles zu verbauen? Schließlich gibt es für die Gesamtplanung keinerlei valide Daten. Niemand weiß, ob es einen echten Bedarf gibt – oder nicht. Deshalb wäre Ausprobieren und Testen ein kluges Gebot der Stunde – um anschließend aufgrund von Erfahrungswerten zu entscheiden, wie man verfahren will. Den Concierge-Service könnte man jederzeit ohne Probleme ein paar Wochen oder Wochenenden lang testen mit ein paar Leuten – ohne sich etwas kaputt zu machen. Einen Minibus könnte man ein halbes Jahr anmieten und ausprobieren. Nur der Fahrstuhl – den müsste man erst in Beton gießen und aufbauen mit allem Drum und Dran, um ihn auszuprobieren. Für eine Testphase: vollkommen unqualifiziert.

8. Wie hoch ist der Aufwand für eventuellen Rückbau im Vergleich?
Grafik: Aufwand für eventuellen Rückbau

Und was, wenn sich eines Tages rausstellen sollte, dass die gewählte Lösung nicht mehr gebraucht wird? Sei es, weil der Bedarf doch nicht da ist oder sich die Dinge geändert haben? Wie aufwändig wäre es dann, alles wieder ungeschehen zu machen? Die Uniformen der Concierges werden einfach in den Schrank gehängt und fertig. Der Minibus kann anders genutzt oder weiter verkauft werden. Alles ganz einfach. Nur der Fahrstuhl wird Millionen und Abermillionen verschlingen, um ihn irgendwie wieder aus dem Stadtbild zu entfernen. In punkto Rückbau-Möglichkeit also nochmal: unqualifiziert.

Klares Ergebnis im großen Vergleichs-Check

Jawohl, der Baubeigeordnete Bursian hat in seiner oben genannten E-Mail vollkommen recht: Es gibt tatsächlich Vorschläge, die unqualifiziert sind.

Allerdings ist der unqualifizierteste Vorschlag? Ausgerechnet der, den der Baubeigeordnete selbst präferiert. Und den er den Stadtverordneten im Sommer 2021 noch als „das Einfachste“ und „das Logischste“ unterjubeln wollte.

In Wahrheit ist der Fahrstuhl die mit Abstand teuerste, unflexibelste und klimaschädlichste Lösung, die sich an der Martinitreppe denken lässt.

In keiner einzigen Kategorie hat der Fahrstuhl die Nase deutlich vorn. Oder wenigstens knapp, ganz knapp vorn! Nicht mal das.

Auch nicht, wenn der Einwand kommt, der Fahrstuhl würde immerhin rund um die Uhr laufen, sozusagen 24/7. Genau das ist nämlich nicht vorgesehen. Abends wird er geschlossen, morgens geöffnet. Dafür ist extra ein „Schließservice“ im Kostenbudget eingeplant.

Die Stadtverordneten der Stadt Minden sind gut beraten, all das im Blick zu haben und alle Alternativen gründlich unter die Lupe zu nehmen, wenn sie demnächst über die beste Lösung für die Martinitreppe befinden. Sie dürfen dann gerne unter Beweis stellen, wie klug sie entscheiden. Das Herz der Stadt wird ihnen dabei jedenfalls sehr genau zuschauen.

Sie sind der gleichen Meinung wie der Autor? Sie sind ganz anderer Meinung? Oder haben Sie weiterführende Infos zum Thema? Schreiben Sie es unten in die Kommentar-Spalte. Oder senden Sie dem Autor eine E-Mail an
ew@dasherzderstadt.de

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