Und dieses ganze scheinheilige Schmierentheater – alles nur, um nicht in flagranti beim Hochdrehen der Steuerschraube erwischt zu werden? Jetzt im Ernst, Leute?
Wer die Ohren im Rathaus spitzt, bekommt ganz andere Sachen zu hören.
Was niemand öffentlich sagt
Da ist dann plötzlich von der Suche nach einem neuen Ersten Beigeordneten für den Verwaltungsvorstand der Stadt Minden die Rede – ein aufwändiges, wochenlanges Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung und Begleitung durch externe Personalberater. Von einer Stellenbesetzungs-Kommission aus Rats- und Verwaltungsmitgliedern ist die Rede, die offenbar heillos überfordert waren, eine Entscheidung zu fällen.
Bei der ersten aufwändigen Sitzung kam man zu keinem Ergebnis. Weshalb ein zweiter aufwändiger Termin erforderlich wurde. Doch auch bei der zweiten aufwändigen Sitzung kam man nicht überein.
Deshalb wäre jetzt eigentlich ein dritter aufwändiger Sitzungstermin erforderlich gewesen. Der schien den Kommissionsmitgliedern jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht opportun. Zumal mittlerweile die Zeit drängte: Das zweithöchste Amt im Rathaus – über viele Monate unbesetzt? Bis zur Ratssitzung Anfang Dezember, der letzten vor der Weihnachtspause sollte unbedingt ein Name her! Sonst würde es Frühjahr werden …
Um das zu schaffen, behalf man sich mit einem beherzten Griff in die Trickkiste. Möge doch der Haupt- und Finanzausschuss in seiner 35. Sitzung am 20. November 2024 die Kandidaten nochmals unter die Lupe nehmen, quasi nebenbei, und dann eine Entscheidung fällen.
Der Griff in die Trickkiste
Genialer Plan!, so schien es. Einen dritten aufwändigen Termin der Stellenbesetzungs-Kommission hatte man clever vermieden. Und indem man das Problem vertagt und auf ein anderes Gremium verlagert hatte, war es ja quasi auch schon gelöst. Mindener Genie!
Man ahnt es: Die Cleverness im Mindener Rathaus offenbart sich in aller Regel dadurch, dass man sich am Ende selbst ins Knie schießt. Und so kam es auch.
Denn die 35. Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 20. November hatte ohnehin schon einen totalen Overload an Themen.
Insgesamt 22 Tagesordnungspunkte allein im öffentlichen Teil. Darunter Schwergewichte wie die oben erwähnte Grundsteuerreform.
Bei einem geplanten Start um 16:30 Uhr war absehbar, dass der nicht-öffentliche Teil B., in dem die Kandidaten für das Amt des Ersten Beigeordneten dran gewesen wären, womöglich erst um 19:00 Uhr beginnen würde, vielleicht auch erst um 20:00 Uhr oder noch später.
Overload an Tagesordnungspunkten
War das Bewerbern, die von auswärts anreisen, um sich für das zweithöchste Amt der Stadt zu bewerben, zuzumuten? War das den Ausschussmitgliedern zuzumuten: nach mehreren Stunden öffentlicher Sitzungsarbeit dann nochmal in die nicht-öffentliche Begutachtung von Bewerbern zu treten?
Um es klipp und klar zu sagen: Die heillos überforderte Stellenbesetzungs-Kommission, die sich in zwei aufwändigen Sitzungen nicht auf einen Kandidaten hatte einigen können und der jetzt die Zeit davonlief – sie hatte sich mit ihrem Trick, dem Haupt- und Finanzausschuss die Aufgabe nebenbei zu übertragen, selbst in eine Sackgasse manövriert.
Wieder mal hatte politische Inkompetenz das eigene Schachmatt in direkte Sichtweite gerückt.
Wenn das publik würde – der öffentliche Schaden wäre immens. Insbesondere auch für einen, der einfach Kalif anstelle des Kalifen werden will, damit man im Rathaus munter weiterwurschteln kann wie eh und je.
Das eigene Schachmatt vor Augen
Deshalb musste nochmal ein Griff in die Trickkiste her: Der nicht-öffentliche Teil mit den Bewerbern, der musste nach vorne gezogen werden, der öffentliche Teil nach hinten. Und zwar auf Teufel komm raus.
Hatte es so etwas überhaupt schon mal in der Geschichte des Mindener Rathauses gegeben? Egal. War die Verfahrensweise bürgerfreundlich? Egal. Könnte es zu weiteren Komplikationen kommen? Egal, egal, egaaal …
Hat all das irgendwann irgendjemand mal irgendwo öffentlich erklärt?
Natürlich nicht. Niemand spricht über diese Zusammenhänge, über Ursachen und Beweggründe.
Es gibt bis heute keine offizielle Begründung, keine Erläuterungen. Nicht vom Kalif-anstelle-des-Kalifen-Kandidaten Kock, als er seinen Antrag stellt. Nicht in der Pressemitteilung, die die Stadt Minden am 18. November 2024 veröffentlicht, um das abgekartete Drama anzukündigen. Erst recht nicht in der Zeitung – wo kämen wir da hin!
Transparenz auf die (Tibet-) Fahne schreiben
Transparenz ist etwas, das man sich im Mindener Rathaus gern auf die Fahne schreibt.
Am liebsten auf die Tibet-Fahne. Das ist die, die dann, wenn sie gehisst werden soll, gerade nicht aufzufinden ist. Weil der schlampige Hausmeister sie letztes Jahr wohl wieder nicht ordentlich weggepackt hat.
Shame on you!
Aber das Drama der 35. Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss ist ja noch nicht zuende. Es geht gerade erst in den zweiten Akt.
Mittlerweile ist es 19:25 Uhr und es haben sich eine ganze Reihe Menschen in Warteraum und Flur des Rathauses eingefunden, in Gespräche vertieft.
Da plötzlich geht ein Ruck durch die Szenerie. „Der öffentliche Teil beginnt, der öffentliche Teil beginnt!“, ruft aufgeregt eine Frauenstimme. Die Wartenden strömen in den Sitzungssaal. Dort herrscht gelöste Heiterkeit: Man hat eine Entscheidung für die Stelle des Ersten Beigeordneten gefunden. Halleluja – habemus papam! Ach nee, es wird ja eine Frau.
Habemus papam? Ach nee, es wird ja ’ne Frau …
Und schon startet Ober-Rathäusler Jäcke in den öffentlichen Teil – mit immerhin einer halben Stunde Verspätung von 19:00 Uhr gerechnet (drei Stunden Verspätung von 16:30 Uhr gerechnet).
Es geht um dies, um das, um jenes, es wird geplauscht, über Newsletter und Pissoirs. Und dann folgt auch schon Tagesordnungspunkt 5.: Grundsteuerreform.
Doch bevor sich eine Diskussion entwickeln kann, meldet sich Ober-Rathäusler Jäcke – es ist Punkt 20:24 Uhr: In der Geschäftsordnung der Stadt Minden sei festgelegt, dass Sitzungen nicht länger als vier Stunden dauern dürften. Dieser Zeitrahmen sei gleich, um 20:30 Uhr, also in sechs Minuten, ausgeschöpft.
Er regt an, der Ausschuss möge beschließen, länger zu tagen – und dann open end bis Mitternacht. Doch die Mehrzahl der Stimmberechtigten folgt dem Antrag diesmal nicht. Dem Ober-Rathäusler bereitet das sichtlich ernste Kopfzerbrechen. Denn das bedeutet und ist der finale Schuss ins eigene Knie der Mindener Politik:
Ein neuer Termin muss her. Es ist zum Totlachen …
Zum Totlachen: Die unfähige Rasselbande vom Rathaus
Das, was mit allen Tricks auf Teufel komm raus vermieden werden sollte: einen weiteren Termin für die Stellenbesetzungs-Kommission – man hat es vermieden um den Preis, dass jetzt ein noch größeres Gremium, nämlich der Haupt- und Finanzausschuss, sehr, sehr kurzfristig einen neuen Termin braucht.
Es ist das perfekte Abbild der Mindener Politik. Die völlige Bankrotterklärung vor dem politischen Souverän.
Sie kriegen nichts hin in diesem Rathaus: nicht die Uhren zu stellen, nicht Entscheidungen in ein, zwei Sitzungen zu fällen, nicht Termine einzuhalten. Ein himmelschreiender Ausbund an Unfähigkeit, der da vor uns sitzt.
Erschütternd, das als Bürger ansehen zu müssen. Und der Grund, warum immer mehr Menschen das Vertrauen in demokratische Institutionen verlieren.
Diese Rasselbande im Rathaus kriegt es nicht mal hin, sich selbst zu organisieren! Wie wollen ausgerechnet die eine Stadt mit immerhin 85.000 Einwohnern organisieren?
Kommunalwahl: Der 14. September 2025 ist Denkzettel-Tag
Punkt 20:30 Uhr schließt Ober-Ratshäusler Jäcke die Sitzung. Mitten in Tagesordnungspunkt 5. Wohlgemerkt 5. von 22.!
Ich kann nicht anders als lauthals lachen. Dafür haben sie die Sitzungsreihenfolge geändert? Dafür haben sie mich rausgeworfen? Dafür die ganze Trickserei? Dafür all die Absprachen im Vorfeld? Dafür den Vorwurf eingehandelt, bürgerfeindlich und intransparent zu sein? Dafür der ganze Aufriss?
Wäre all das – plus dem daraus resultierenden Flurschaden an Ansehen für Rathaus und Demokratie – nicht vermeidbar gewesen?
Doch, natürlich!
Man hätte früher zu einem Ergebnis kommen können, was die Wahl des Ersten Beigeordneten betrifft – schon in der ersten Sitzung, vielleicht auch erst in der zweiten. Selbst wenn nicht: man hätte einen dritten Termin für die Kommission ansetzen können. Man hätte vermeiden können, den Haupt- und Finanzauschuss zu überfrachten. Man hätte, hätte, hätte … Man hätte so viel.
Aber vor allem: Man hätte sich professionell geben können. Offenbar ein Wort, das in Mindens Rathaus weithin unbekannt ist.
PS: Zwischenzeitlich geht das Drama in den dritten Akt. Für Donnerstag, den 28. November 2024 ist die nächste Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss anberaumt. Dann werden ab 17:00 Uhr die Tagesordnungspunkte 5. bis 22. verhandelt und anschließend – in gewohnter Reihenfolge – noch ein nicht-öffentlicher Teil B. angehängt.
Wenn Sie was zu lachen haben wollen: Wir sehen uns! ♥
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