Die geheimen Folien, die nie zu sehen sein sollten:
Geisterstadt Minden

Autor Edgar Wilkening

21. Nov, 2023

Autor: Edgar Wilkening

Wenn die Mindener Innenstadt es schon als Örtlichkeit kaum schafft, Menschen anzuziehen – als Thema einer Abend-Veranstaltung schafft sie es noch weniger.

Montag, 6. November 2023, 19:00 Uhr. Das Innenstadtmanagement der Stadt Minden hatte eingeladen zum zweiten „STADTnetzwerk-Treffen“. An die zweihundert Menschen hätten Platz gehabt im Ständersaal des Preußenmuseums.

Verrückt genug, sich anzumelden und auch zu kommen, waren keine fünfzig. Veranstaltungen der Mindener Stadtverwaltung sind nicht eben als Orte überquellender Lebensfreude und fröhlicher Unterhaltung bekannt.

Unter denen, die den Weg fanden: allein zwei Handvoll, die im Dienst der Verwaltung anwesend waren.

Dazu Offizielle von Stadtmarketing, IHK und Handelsverband. Aus der Politik ein paar SPD-Granden, ein FDP-Mann, einmal CDU. Von Linke, Grüne etc.: keine Spur. Ist man dort der Auffassung, die SPD wird das mit der Innenstadt schon richten und die Arbeitermassen wieder in die Shoppingtempel lotsen?

Den Reigen an Reden eröffnete Bürgermeister Michael Jäcke (SPD). Er betonte fröhlich, wie toll es in der Mindener Innenstadt liefe. Er käme beruflich auch in andere Städte, und was er dort teilweise sähe, dagegen sei Minden immer noch ganz weit vorne, betonte er.

Da war er wieder: dieser typisch Mindener Blick, der mir immer wieder in dieser Stadt auffällt.

Nicht etwa neugierig nach oben gerichtet – hin zu den Städten, wo lebendige, blühende Innenstädte vormachen, was Minden sein könnte, wenn man es anpacken würde. Sondern selbstzufrieden nach unten – dort hin, wo alles schlimmer ist als in Minden, so dass das eigene Elend den Bürgern nur noch halb so elend erscheinen möge.

Selbstzufrieden ging es weiter mit Vorträgen von CIMA, der Beraterfirma aus Hannover, und Innenstadtmanagement, die alle nur wunderschöne Erfolge zu berichten wussten. Friede, Freude, Pustekuchen.

Der Baubeigeordnete der Stadt Minden, Lars Bursian, flüchtete sich thematisch gleich direkt an die Weser und stellte ein Konzept für die künftige Schlagde vor. Zur Zukunft der Innenstadt hat sein Fachbereich offenbar nichts Wesentliches mehr beizutragen.

Einzig beim letzten Vortrag des Abends klangen auch mal vorsichtig kritische Töne an.

Architektin Astrid Engel als neue Vorsitzende der Immobilien- und Standort-Gemeinschaft ISG Obermarkt stellte den Verein und seine Aktivitäten vor. Sie war es, die betonte, dass „hier Stadtentwicklung für Minden direkt vor Ort betrieben wird, nicht aus der sicheren Distanz von Hannover aus.“

Bei Häppchen und Erfrischungsgetränken ging der Abend so sinnentleert zu Ende, wie er begonnen hatte. Wer nicht gekommen war, weil er sich stattdessen lieber mit David Sims Buch „Sanfte Stadt – Planungsideen für den urbanen Alltag“ auf dem Sofa zurückgezogen hatte, wurde vollauf bestätigt.

Dabei hätte es durchaus noch einen interessanten Vortrag geben können.

Ich hatte meine Präsentation „Geisterstadt Minden“ im Rückengepäck fix und fertig dabei. Allerdings war Das Herz der Stadt gar nicht eingeladen, einen Vortrag zu halten.

Ohnehin hätte es meine Präsentation wohl kaum durch den vorherigen Gesinnungs-Check der Stadt geschafft: zu viele Tatsachen, zu viel Realität, zu viel klarer Fokus auf die Verantwortlichen. Das hätte die Jubelchöre der Ehrenriege nur gestört.

Macht nichts. Das Publikum im Ständersaal war zahlenmäßig eh so klein. Hier und jetzt, an dieser Stelle, erreiche ich ein weitaus größeres Publikum – und das ganz ohne Gesinnungskontrolle oder Gefahr zu laufen, dass mir irgendjemand mittendrin den Stecker rauszieht. Zeige ich meine Folien eben hier.

Auf geht’s! Der ungehaltene Vortrag – durchaus im doppelten Wortsinne. Willkommen in der „Geisterstadt Minden“!

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Sehr verehrte Damen und Herren, ich habe hier ein paar Fotos aus Minden mitgebracht. Allesamt zufällig entstandene Schnappschüsse. Ich war gerade auf dem Heimweg, als ich dachte: Das muss ich festhalten.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Wann haben Sie das letzte Mal etwas so Trostloses, etwas so Gespenstisches gesehen?“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Geisterstadt Minden – die zentralen Innenstadtbereiche, sie wirken wie ausgestorben.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Alle drei Fotos sind entstanden: am gleichen Tag und zur gleichen Uhrzeit. Woran liegt es, dass Obermarktstraße, Scharn, Markt mit Domhof menschenleer sind? Was denken Sie ist der Grund?“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Sind die Fotos vielleicht weit nach Mitternacht entstanden, wo alle anständigen Bürger längst daheim und im Bett sind? Oder sind die Witterungsbedingungen vielleicht so unwirtlich, dass sich keine Menschenseele vor die Haustür traut? Läuft womöglich gerade ein großes Meisterschafts-Endspiel oder irgendein anderer Straßenfeger im Fernsehen? Was denken Sie?“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Alle drei Fotos sind entstanden am Mittwoch, 11. Oktober 2023 um 20:15 Uhr. Das Wetter war mild und lau: 18 Grad Celsius, kein Wind, kein Regen. Und es gab kein großes Fernsehereignis, das parallel stattfand. Ein in jeder Hinsicht ganz normaler, ganz gewöhnlicher Herbsttag. Aber warum ist die Innenstadt an einem normalen Tag so menschenleer?“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Der Architekt und Stadtplaner David Sim hat eine Antwort. Er sagt: ‚Menschen möchten dort sein, wo andere Menschen sind.‘ Niemand geht zum Beispiel gerne in ein menschenleeres Restaurant. Niemand geht gern in eine menschenleere Stadt.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Wer Orte schafft, die nur aus Gebäuden bestehen, schafft keine attraktiven Orte. Wer alles tut, um Menschen keine Attraktionen, keine Highlights, keine Erlebnisse zu bieten zum Bummeln, Schlendern, Schauen, Shoppen, Plaudern, Sitzen, Reden, Staunen, Treffen und, und, und – der schafft menschenleere Orte.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Denn genau das sind diese Orte: Sie sind allesamt geschaffen worden. Ausdrücklich in der Macher-Form! Diese menschenleeren Orte wurden von Politikern und ihren Planern so geschaffen. Sie sind es, die die Verantwortung tragen für Aufenthaltswüsten und Angsträume. Weil sie eben keine andere, keine attraktivere Stadt gemacht haben, sondern genau diese.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Hier entsteht wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe. Für die Gewerbetreibenden, denen Umsätze wegbrechen oder gleich ganz entgehen, weil immer weniger Menschen in die Innenstadt kommen. Das wiederum verursacht Schäden bei den Liegenschaftseigentümern, deren Gebäude und Flächen von Jahr zu Jahr weniger wert sind, weil sich dort immer weniger Umsatz erwirtschaften lässt. Und natürlich auch für die Stadtgesellschaft, der Gewerbeeinnahmen entgehen. die an allen Ecken fehlen, z.B. um die Stadt wieder lebenswert zu machen. Dazu die langfristige Rufschädigung: ‚Minden? Brauchste nicht hinfahren – nix los.‘ Diese Schäden sind in Summe gigantisch. Und auch sie sind geschaffen worden – von Stadt-Ruinierern in Politik und Verwaltung.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Jeder Gewerbetreibende, der seinen Laden schließen muss, erlebt das als ganz persönliches Scheitern. ‚Der Amazon ist schuld, dass die Leute nicht mehr kommen.‘ Nein! Das Gros der Gewerbetreibenden macht tolle Arbeit und stemmt sich mutig gegen die Onlinedienste. Aber sie sind machtlos, wenn Politik und Verwaltung dafür sorgen, dass immer weniger Kunden den Weg in die Innenstadt nehmen wegen Attraktionslosigkeit und Angsträumen.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Die Bürger tun gut daran zu sagen: Es muss Schluss sein mit all den Schäden, die unserer Stadt da zugefügt werden von den Verursachern! Die Gewerbetreibenden sollten erkennen, dass nicht sie die Hauptverantwortung tragen, wenn ihr Laden in die Knie geht, sondern diejenigen, die die Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist.“

Lars Bursian über Ausstellungsflächen

„Diejenigen, die seit Jahren unsere Stadt ruinieren durch falsche Weichenstellungen, durch Blockade neuer Angebote und zeitgemäßer Lösungen, durch falsche Entscheidungen; diejenigen, die seit Jahren wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe verursachen durch ihr Treiben: Sie gehören raus aus ihren Ämtern und Positionen! Ihr Tun hat Bürger und Wirtschaft schon jetzt Millionen gekostet. Die Stadtruinierer haben jeden Kredit verspielt. Es muss endlich Platz für klügere Leute sein. Vielen Dank für Ihr Mitwirken dabei.“

„Geisterstadt Minden“ ist einer der kontroversen Impulsvorträge von Strategieentwickler Edgar Wilkening.

Wenn Sie nach dieser Kurzversion Interesse am vollständigen Impulsvortrag mit allen Bildern, Charts und Grafiken haben oder an anderen kontroversen Vorträgen: einfach Anfrage per Mail an ew@dasherzderstadt.de.

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