Martinitreppe Minden: Diese wichtige Grafik hatten wir ganz vergessen!
Autor: Edgar Wilkening.
Entwickelt wegweisende Konzepte für Marken, Unternehmen und Institutionen. Wurde dutzendfach dafür ausgezeichnet.
Auf den Tag genau vor zwei Jahren: Am 21. Juli 2021 hatten wir hier freundlicherweise zwei Vorschläge publiziert, wie sich der Höhenunterschied zwischen Mindens Ober- und Unterstadt überbrücken liesse.
Damit Menschen mit Einschränkungen, Einkaufstüten, Kinderwagen oder anderen Mühsalen es künftig leichter haben mögen, von oben nach unten und von unten nach oben zu wechseln – statt die Martinitreppe rauf- und runterzukraxeln.
ALLES, WORAUF KLUGE KOMMUNEN HEUTZUTAGE EBEN ACHTEN
Wichtige Kriterien dabei für uns: Zuverlässigkeit, Kostenrahmen, Erhaltung des Stadtbilds, Ressourcenschonung, Flexibilität, Regionalität etc.
Alles, worauf umwelt- und fortschrittsbewusste, kluge Kommunen heutzutage eben so achten. Als Lösungen entwickelten wir damals:
- erstens einen sehr persönlichen Concierge-Service
- und zweitens einen sehr smarten Minibus-Shuttle
Den Originalbericht vom Sommer 2021 mit Details zu beiden Vorschläge finden Sie hier.
Vorschlag 1 von Das Herz der Stadt
Der Concierge-Service
Wenn ein Mensch Hilfe braucht zwischen Oberstadt und Unterstadt: Was liegt näher, als ihm einen leibhaftigen Mensch an die Seite zu stellen?
Vorschlag: Wir richten einen persönlichen Concierge-Service ein. Ein, zwei Damen oder Herren in markanten Uniformen, die unten am Markt und oben am Martini-Kirchhof bereitstehen und jedem, der Schwierigkeiten mit der Treppe hat, helfen.
Einen persönlichen Schnack zum Wetter oder den neuesten Tratsch aus der Stadt gibt’s immer noch obendrauf. Freundliche Assistenten, die anpacken, wo es nötig ist. Service par excellence.
Vorschlag 2 von Das Herz der Stadt
Der Minibus-Shuttle
Wir schaffen einen Bus-Shuttle zwischen Markt und Martini-Kirchhof. Mini-Busse fahren heute in vielen europäischen Städten. Es gibt sie in diversen Größen und Ausstattungen. Bewährte, ausgereifte Technologie auf Elektrobasis.
Der Fahrer bzw. die Fahrerin ist bei Bedarf behilflich beim Zustieg. Und dann geht’s los – immer im Kreis herum: vom Markt über die Opferstraße hoch zum Martini-Kirchhof, von da weiter über Kampstraße, Hufschmiede runter und zurück über den Scharn zum Markt.
Der Bus hält an vielen Stationen und bietet zahlreiche Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten. Er kann sogar mehrere Routen bedienen: ab Hufschmiede über die Bäckerstraße bis zum Wesertor und von dort über den Domhof zurück zum Markt.
Dass unsere beiden Vorschläge in Mindens Politik und Verwaltung auf wenig Wohlwollen stoßen würden, war zu erwarten.
Die Betonköppe-Fraktion hatte sich längst auf einen monströsen Fahrstuhl an der Martinitreppe festgelegt: teuer, energieintensiv, störanfällig, vandalismusgefährdet – und ganz nebenbei ein ausnehmend hässlicher Dorn im Auge des Mindener Stadtbilds.
Also alles, was in klugen Kommunen heutzutage längst als unzeitgemäß gilt. Aber Betonköppe denken eben in Beton.
Und genau davon konnten, besser gesagt: wollten unsere zwei Vorschläge aus guten Gründen nichts bieten. Stichwort „Ressourcenverbrauch“, Stichwort „Flexibilität“.
"UNQUALIFIZIERTE VORSCHLÄGE" FÜR DIE MARTINITREPPE
Dann, ein Dreivierteljahr später, im Frühjahr 2022: Das schillernde Juwel der Stadtentwicklung in Mindens Verwaltungskrone, der Baubeigeordnete Lars Bursian, sprach in einer internen E-Mail an den Ältestenrat plötzlich von „unqualifizierten Vorschlägen“, die für die Martinitreppe vorlägen.
Was genau er damit meinte, ging aus der E-Mail nicht hervor. Deshalb machten wir uns an die Arbeit und führten seinerzeit einen umfangreichen Check durch.
In acht verschiedenen Kategorien liessen wir den Fahrstuhl antreten gegen Concierge-Service und Minibus-Shuttle.
Das Ergebnis war verblüffend.
Denn es gab tatsächlich einen Vorschlag, der in allen, wirklich allen acht Kategorien durchrasselte: der Fahrstuhl der Betonköppe.
Den vollständigen Check und die zugehörigen Grafiken finden Sie hier.
Wenn ein Vorschlag so umfassend, so grundlegend durchfällt, dann hindert das Mindens Politik und Verwaltung natürlich noch lange nicht daran, genau diesen Vorschlag konsequent weiterzuverfolgen.
Ein Muster, das man seit Jahrzehnten beobachten kann. Und das die Stadt in genau den Zustand bedauernswerter Bedeutungslosigkeit geführt hat, in dem sie sich heute befindet.
Wie weit ist man also mit dem Fahrstuhl, Stand heute? Steht er schon? Läuft er längst? Wurde er schon das erste Mal ramponiert? Das zweite Mal repariert? Hilft er Menschen mit Mühsalen, die Martinitreppe zu überwinden?
Schließlich reicht der Plan dieses Fahrstuhls nicht erst ein, zwei Jahre zurück. Sondern wurde schon 2009 im „Masterplan Innenstadt“ erwähnt.
HAT MAN DEN MENSCHEN IHRE MÜHSALE ERLEICHTERT? NATÜRLICH NICHT
Haben Politik und Verwaltung in diesen sage und schreibe vierzehn Jahren eine Lösung geschaffen? Wenigstens irgendeine? Eine provisorische? Eine Übergangslösung? Hat man endlich, wie tausendfach behauptet, den betroffenen Menschen ihre Mühsale erleichtert?
Hat man natürlich nicht.
Und damit sind wir bei der Infografik, die wir vollkommen vergessen hatten.
Die Grafik zu der Frage: Wie schnell können die drei Vorschläge Fahrstuhl, Concierge-Service und Minibus-Shuttle eigentlich in die Tat umgesetzt werden? Schauen wir’s uns mal an.
Der Fahrstuhl ist ein finanzielles, planerisches und bautechnisches Großprojekt: eine Art „Stuttgart 21“ im Vergleich zu Concierge-Service und Minibus-Shuttle. Bis heute, auch nach vierzehn Jahren und mittlerweile unter dem zweiten Baudezernenten, hat man nicht mehr in der Hand als ein paar Pläne und wohlfeile Worte.
Wann der Fahrstuhl das erste Mal läuft, wann wenigstens der erste Aushub an der Martinitreppe kommt, ob in drei Jahren, fünf oder acht, ob überhaupt jemals angesichts steigender Kosten und klammer Kassen: Niemand legt da für irgendetwas seine Hand ins Feuer.
Dagegen ist die Installation eines Concierge-Service geradezu ein Klacks: Innerhalb von drei, vier Monaten hat ein guter Projektleiter das Ding am Start, inklusive Personalsuche, Ausstattung und Training. Und auch ein Minibus-Shuttle lässt sich mit gutem Projektmanagement innerhalb von neun bis zwölf Monaten auf die Beine stellen. Unter allen drei Vorschlägen der abenteuerlichste, weil mit Abstand unrealistischste: die Fahrstuhl-Lösung.
Politik und Verwaltung halten wie einbetoniert am ungeeignetsten, unrealistischsten und unwirtschaftlichsten Vorhaben fest – statt Alternativen auch nur in Erwägung zu ziehen.
Damit offenbaren sie vor allem eins: Entgegen aller Wortbekundungen geht es ihnen gar nicht um die Menschen und deren Mühsale. Sie tun zwar so als ob – aber in Wahrheit ist es ihnen vollkommen wumpe, was mit den Menschen ist.
Sonst hätten sie längst eine Lösung gefunden!
Sonst hätten sie längst eine echte Lösung angepackt. Hätten über Alternativen nachgedacht. Vielleicht eine Übergangslösung gefunden. Ganz pragmatisch. Eine provisorische Lösung vielleicht. Etwas, das Menschen mit Mühsalen jedenfalls heute hilft, nicht erst am Sankt Nimmerleinstag.
DIE WAHRHEIT: ES GEHT IHNEN GAR NICHT UM EINE LÖSUNG – SONST GÄBE ES LÄNGST EINE!
Seit unserem Vorschlag vor genau zwei Jahren hätte man den Concierge-Service zehn Mal zum Laufen bringen können. Und sei es als Übergangslösung, bis der gebenedeite Fahrstuhl sein Rauf-Runter-Spielchen beginnt.
Und auch der Minibus-Shuttle könnte längst jeden Tag in Mindens Innenstadt unterwegs sein und Menschen unterstützen.
Aber: Sie wollen es nicht!
Und eine schnelle, günstige, leicht rückbaubare Lösung ohne viel Tamtam – das fürchten Betonköppe sogar mehr als die Pest.
Denn die könnte ganz praxisnah belegen, dass es den behaupteten Bedarf für einen Fahrstuhl womöglich gar nicht gibt. Oder dass ein Concierge-Service oder Minibus-Shuttle vollkommen ausreicht, um das Problem für die Menschen zu lösen.
WENN ES OHNE BETON GINGE? ES WÄRE EINE KATASTROPHE FÜR DIE BETONKÖPPE
Beides wäre eine Katastrophe für Betonköppe. Denn es würde bedeuten, dass die vielen Millionen Steuergeld, die sie so gerne in Beton & Co. pumpen wollen, rausgeschmissenes Geld für ein selbstsüchtiges Statussymbol wären.
Sogar der Vorsitzende des Beirats für Menschen mit Behinderungen spielt bei dieser Farce mit. Er, der immer wieder behauptet für Menschen mit Behinderungen einzutreten, er fordert nicht eine schnelle Lösung, und sei es eine provisorische, die schnelle Abhilfe schaffen würde für seine Klientel.
Auch er spielt das Spiel der Betonköppe und schwört auf den gesegneten Fahrstuhl, der so sicher ist wie die Multifunktionshalle am Güterbahnhof – Gott hab‘ sie selig!
Es sind Schwätzer und Wichtigtuer. Leute voller Großmannssucht (auch Frauen), die sich aufplustern und wichtig tun. An tatsächlichen Lösungen aber so wenig interessiert sind wie an den Menschen, für die sie behaupten sich einzusetzen.
Die Verantwortlichen sitzen allesamt im Rathaus. Sie haben Namen, sie haben Pöstchen, sie genehmigen sich höhere Gehälter – und kriegen ansonsten nichts außer Blabla auf die Reihe.
Sonst hätten sie längst etwas zustande gebracht. ♥
Sie sind der gleichen Meinung wie der Autor? Sie sind ganz anderer Meinung? Oder haben Sie weiterführende Infos zum Thema? Schreiben Sie es unten in die Kommentar-Spalte. Oder senden Sie dem Autor eine E-Mail an
ew@dasherzderstadt.de
Da tun sich mir Fragen auf:
1. Wie will der Concierge-Service Menschen mit Gehhilfen und Rollstühlen die Treppe hoch und runter kriegen? Huckepack?
2. Was passiert wenn die Mitarbeiter des Concierge-Service oder dem Bus-Shuttle krank werden, oder Urlaub haben? Sind genug Mitarbeiter eingestellt um das aufzufangen?
3. Wer bezahlt die eigentlich?
4. Wieviele Busse müssen vorgehalten werden? Oder wird der Betrieb eingestellt, wenn der Bus mal ausfällt?
5. Gibt es an den Haltestellen hohe Bordsteine und Niederflurbusse?
Hallo Fozzy,
danke fürs Feedback! Die Fragen haben sich die Entwickler natürlich auch schon gestellt. Viele Antworten, sogar erste Kostenschätzungen gibt es deshalb auch schon im Ursprungsartikel vom 21. Juli 2021, der oben verlinkt ist und den ich hier gerne noch mal verlinke:
https://dasherzderstadt.de/clever-und-guenstig-zwei-echte-alternativen-zum-monstroesen-martini-fahrstuhl/
Antworten in aller Kürze:
1. Die Concierges sind Menschen, die jeweils von Fall zu Fall entscheiden: Geht das über die Treppe – oder begleiten wir die Person(en) über Obermarktstraße/Opferstraße nach oben? Ein Rollstuhl z.B. lässt sich wohl eher rollen als Treppenstufen hochschieben. Das wissen auch die Concierges. Denn sie sind ja entsprechend geschult.
2. Das muss man organisatorisch regeln – wie jeder Supermarkt oder jede Imbussbude auch: Wer macht wann Dienst, wieviele Beschäftigte braucht man dafür, welche Reserven muss man planen? Ich erlebe tagtäglich, dass kluge Projektleiter diese Aspekte gut hinkriegen. „Meine“ Bäckerei um die Ecke jedenfalls hat trotzdem offen, auch wenn jemand krank wird oder im Urlaub ist. (PS: Wie machen das eigentlich Fahrstuhl-Serviceunternehmen: Bleibt ein kaputter Fahrstuhl off, wenn dort Mitarbeiter krank oder im Urlaub sind?) 😉
3. Je nachdem, ob die Stadt den Dienst selbst anbietet oder eine Gesellschaft damit beauftragt, bezahlt derjenige die Mitarbeiter, der sie angestellt hat und insofern als Arbeitgeber fungiert. Gegenfrage: Wer bezahlt eigentlich den Fahrstuhl und dessen laufende Wartung? Da reden wir ja über ganz andere Summen.
4. Empfehlung: zwei Busse zum Start. Falls einer ausfällt oder in Reparatur ist, kann man mit einem immer noch Rumpfservice bieten. Oder für eine erste Testphase nur ein Bus. Wer einen umfassenderen Service anbieten will, braucht eventuell drei oder noch mehr Fahrzeuge. Das hängt auch von den Routen ab, die man bedienen will (siehe Ursprungsartikel). In vielen europäischen Städten funktioniert das sehr gut. Der Minibus in der Abbildung oben stammt übrigens aus Aix-en-Provence.
5. Es werden sicher keine üblichen Busse wie im klassischen ÖPNV eingesetzt, sondern Minibusse, die es in breiter Auswahl bei Herstellern gibt. Die Zustiege funktionieren von Typ zu Typ unterschiedlich. Da muss man die verschiedenen Modelle mal in einen Vergleich setzen und schauen, welches am geeignetsten für Mindens Topografie ist. Immerhin ist im Fall der Fälle ein Bus für sagen wir 120 TEU im Falle der Nicht-Eignung einfach weiterverkäuflich und durch ein geeigneteres Modell ersetzbar – bei einbetonierten Fahrstühlen geht das nicht so leicht. 😉
Schön, dass wir hier schon so ernsthaft über die Realisierungs-Anforderungen von Concierge-Service und Minibus-Shuttle diskutieren. Da sind wir auf einem deutlich besseren Wege als die Betonköppe bei ihrem Fahrstuhl-Projekt.