Manipulation bei Landratswahl: Was war los in Mindens Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen?

von | 22. Feb.. 2021

Autor Edgar Wilkening

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Edgar Wilkening

Bananenrepublik – das sind immer die anderen. Hier in Deutschland sind wir stolz auf unsere funktionierenden, unbestechlichen Wahlsysteme, die das Herzstück unserer Demokratie bilden.

Umso mehr Fragezeichen wirft das auf, was sich in einem Mindener Wahllokal anlässlich der Stichwahl zur Landrätin/zum Landrat am 27. September 2020 abgespielt haben muss.

Im „Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen“ weigerte sich der für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl verantwortliche Vorstand, die offizielle Wahlniederschrift zu unterzeichnen – offenbar in Sorge, sich anderenfalls der Protokoll- oder Dokumentenfälschung schuldig zu machen.

„Wegen unvollständiger Niederschrift verweigern die im Wahlraum Tätigen die Unterzeichnung der Niederschrift“, heißt es in einem handschriftlichen Vermerk auf Seite 6 der Wahlniederschrift (die Sie hier in voller Länge einsehen können).

Quelle: Ausschnitt aus Seite 6 der Wahlniederschrift Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen, Minden vom 27. September 2020. Gelbe Hervorhebung durch den Autor.

Und tatsächlich: Im gleichen Dokument, ebenfalls auf Seite 6, oberes Drittel, fehlt im Feld „Der/Die Wahlvorsteher/in“ die entsprechende Unterschrift.

Quelle: Ausschnitt aus Seite 6 der Wahlniederschrift Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen, Minden vom 27. September 2020.

Was also ist da passiert? Bananen für alle?

Zu denen, die sich zu den Vorfällen äußern, gehören Katrin und Thorsten Bertram. Sie haben Einspruch eingelegt gegen die Wahl. Denn sie sind von dem, was sich im Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen abgespielt hat, persönlich betroffen.

Ursprünglich hatten die Eheleute Briefwahlunterlagen angefordert. Zum Zeitpunkt der Wahl hatten sie eigentlich in Urlaub sein wollen.

Corona änderte ihre Pläne: Am Tag der Stichwahl, dem 27. September 2020 waren sie daheim und wollten ihre Stimme im zuständigen Wahllokal „071 Hauptschule Todtenhausen“ abgeben.

Ihre Wahlunterlagen hatten beide bei sich, als sie am Wahlsonntag kurz nach 16:00 Uhr das Wahllokal betraten.

Und dann das: Vom Wahlvorstand wurde den Eheleuten die Abgabe der Stimme vor Ort verweigert. Begründung: Sie hätten bis 16:00 Uhr ihre Briefwahlunterlagen im Rathaus abgeben können.

Die Bertrams legten daraufhin am 13. Oktober schriftlich Einspruch ein gegen die Wahl. Und bekamen ganz formell recht: Ja – man hätte ihnen die Stimmabgabe nicht verweigern dürfen, teilte die Stadt Minden in einem Schreiben vom 4. Februar 2021 mit.

Ja – es war formell falsch, dass die Eheleute an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert wurden. Ja – sie hätten am Wahlsonntag im Wahllokal abstimmen dürfen. Ja – das war alles nicht in Ordnung so. Aber Folgen habe das nicht und am Ausgang der Wahl ändere es eben auch nichts …

Man könnte es dabei belassen: dumm gelaufen – und fertig.

Dumm ist aber, dass dieser Vorfall erst der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Auffälligkeiten im Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen war.

Denn die Regeln sehen ausdrücklich vor, dass „besondere Vorfälle während der Wahlhandlung“ in der Wahlniederschrift dokumentiert werden müssen, insbesondere wenn es zur „Zurückweisung von Personen“ kommt.

Doch die Zurückweisung der Eheleute Bertram  wurde nicht protokolliert. Im entsprechenden Formularfeld auf Seite 2 der Wahlniederschrift herrscht gähnende Leere – gerade so, als seien die Bertrams nicht mal vor Ort gewesen, geschweige denn zurückgewiesen worden.

Quelle: Ausschnitt aus Seite 2 der Wahlniederschrift Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen, Minden vom 27. September 2020.

Schwerer Verstoß gegen die Protokollpflichten. Und womöglich nicht der einzige.

Denn in ihrem Einspruch vom 13. Oktober 2020 berichten Katrin und Thorsten Bertram von „Strichlisten“, die im Wahllokal geführt wurden – offenbar weil die Eheleute längst nicht die einzigen waren, die man an der Stimmabgabe hinderte.

Im Schreiben der Bertrams ist sogar die Rede davon, dass sie aufgefordert wurden, die Wahl anzufechten.

Quelle: Ausschnitt aus dem Schreiben von Katrin Bertram (und gleichlautend Thorsten Bertram) vom 13. Oktober 2020, mit dem die Eheleute Einspruch gegen die Wahl einlegten. Gelbe Hervorhebungen durch den Autor.

Wenn es tatsächlich weitere Wähler gab, denen man die Stimmabgabe verweigerte, hat sich von denen offenbar niemand die Mühe gemacht, formelle Beschwerde einzulegen. So blieb es bei Katrin und Thorsten Bertram …

HINWEIS
Falls Sie diesen Bericht lesen und selbst zu denen gehören, die von der Wahlbehinderung betroffen sind, und sich nachträglich dazu äußern möchten: einfach eine Nachricht an mittenin@dasherzderstadt.de und wir melden uns bei Ihnen. Hinweise werden auf Wunsch auch anonym und ohne jeden Hinweis auf Personen bearbeitet.

Unrechtmäßiges Verweigern der Wahlteilnahme – Strichliste über zurückgewiesene Wähler – Empfehlungen zur Anfechtung der Wahl – falsche Protokollierung des Wahlverlaufs – Verweigerung der Unterzeichnung der Wahlniederschrift durch den Wahlvorstand … Die Liste der Verfehlungen an diesem Wahlsonntag ist lang.

Waren da Amateure am Werk? Politische Greenhorns? Im Gegenteil: All diese Unregelmäßigkeiten sind nicht einem „überforderten Normalbürger“ unterlaufen – sondern einem politisch erfahrenen Sozialdemokraten.

Wahlvorsteher und damit formeller Leiter des Stimmbezirks 071, Hauptschule Todtenhausen war Thorsten Bülte, altgedienter SPD-Genosse und Stadtverbandsvorsitzender seiner Partei in Minden sowie für die SPD im Rat der Stadt Minden vertreten.

Gab es also womöglich parteipolitische Interessen, das Wahlprotokoll fälschen zu wollen?

Quelle: Ausschnitt aus Seite 1 der Wahlniederschrift Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen, Minden vom 27. September 2020. Gelbe Hervorhebung durch den Autor.

Was genau war da los, an diesem Wahlsonntag im Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen? Am Mittwoch, 24. Februar 2021, wird sich der Wahlprüfungsausschuss des Kreises Minden-Lübbecke in einer öffentlichen Sitzung damit befassen.

Thorsten Bertram hat angekündigt, persönlich an der Sitzung teilzunehmen, und schon vorab um Redeerlaubnis gebeten. Er will die Dinge nicht auf sich beruhen lassen.

Der Ausschuss täte gut daran, die gesamten Hintergründe rund um den Wahlsonntag im Stimmbezirk 071, Hauptschule Todtenhausen aufzuklären.

Dazu sollte Thorsten Bertram Rederecht im Ausschuss erhalten – ja. Aber vor allem gehören die Personen zur Rede gestellt, die an den Unregelmäßigkeiten dieses Wahlsonntags mitgewirkt und sie zu verantworten haben.

Unser Wahlrecht hierzulande ist weit entfernt von jeglichem Bananenrepublik-Zustand.

Die Sitzung des Prüfungsausschusses ist eine gute Gelegenheit, das zu beweisen – all jenen, die demokratische Wahlen nach Gutdünken manipulieren möchten.

Banane

... und? Wie lief die Sitzung des Wahlprüfungsausschuss am 24. Februar 2021?

l

Auch am Wählen gehindert worden?

Falls Sie ebenfalls an der Ausübung Ihres Wahlrechts im Stimmbezirk 071 gehindert worden sein sollten und uns davon berichten möchten: einfach eine Nachricht mit Ihren Kontaktdaten an redaktion@dasherzderstadt.de – wir melden uns. Alle Hinweise werden auf Wunsch streng anonym und ohne Hinweis auf die Identität von Personen bearbeitet.

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