Das Feld ist bereitet fürs Klüngeln ums Rampenloch und 500.000 Euro Zuschuss von Mindens Bürgern
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Edgar Wilkening. Hält Günstlingswirtschaft für eines der Grundübel der Gesellschaft. Er hat in Hamburg u.a. an der Entwicklung der HafenCity mitgewirkt. Hätte dem Rampenloch gewünscht, dass es ebenso umsichtig entwickelt worden wäre.
Mit dem Ausstieg von Architektin Astrid Engel aus dem Interessenbekundungsverfahren zum Rampenloch ist nunmehr das Feld bereitet, damit sich in Minden zurechtklüngeln kann, was sich schon immer zusammenklüngeln wollte und sollte.
Im Rennen um das innerstädtische Filetstück in Mindens Oberer Altstadt sind jetzt noch die Entwürfe der Firmen Bautec und Büro Parallel.
Das in Hille angesiedelte Bauunternehmen Bautec mit Aushängeschild Architektin Bettina Lauer hatte in der ersten Phase des Verfahrens ein gerade mal vierseitiges Word-Dokument abgeliefert, das mit blumigen Absichtsbekundungen und nettem Katzenbildchen punkten konnte.
In der offiziellen Bewertung durch Mindens Stadtplanung unter dem Baubeigeordneten Lars Bursian gab es im Mai 2020 viel Lob dafür und bemerkenswerte 6,8 von zehn möglichen Punkten. Respekt! Katzenbildchen funktionieren in Minden noch immer.
Noch besser schnitt nur das Konzept des Mindener Büro Parallel von Architekt Thomas Engel ab. Seine Entwürfe überzeugten mit konsequent mittelmäßigem Vorstadtszenario bei schon sehr genauer Detailplanung.
Wo kommt das Klo hin? Wo der Fernseher? Wo das Bett? Damit kann man in MINDENS STADTPLANUNG offenbar was anfangen.
Die Stadtplaner spendierten dem Konzept in der ersten Phase herausragende acht von zehn möglichen Punkten. Chapeau!
Bautec oder Büro Parallel: Wer von diesen zwei verbliebenen Kandidaten das Rennen machen wird, liegt jetzt in den Händen des „Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr“.
Der soll in seiner Sitzung am 20. Januar 2021 entscheiden, wem das geschichtsträchtige Rampenloch-Areal für die weitere Planung in Phase drei „anhandgegeben“ wird.
Immerhin geht’s um einiges! Nicht nur um eines der wertvollsten Filetstücke in Mindens Innenstadt – sondern vor allem auch um etwa 500.000 Euro, die die siegreiche Baufirma von Mindens Bürgern als „Zuschuss“ obendrauf bekommt. Begrüßungs-Bonus quasi.
Nein, „Zuschuss“ ist nicht der offizielle Begriff, den Verwaltung und Politik verwenden.
Beim Wort „Zuschuss“ könnten womöglich sogar die Bürger Mindens ahnen, dass sie für etwas bezahlen müssen, von dem sie selbst am Ende gar nichts haben – der siegreiche Investor dafür aber umso mehr.
Deshalb sprechen Verwaltung und Politik nicht von „Zuschuss“. Sondern AM LIEBSTEN GAR NICHT über dieses Thema.
Womöglich wäre zu offensichtlich, was im Hintergrund läuft, wenn Stadtplanung und Rat öffentlich einräumen würden, dass sie ein Areal, das mit einem Wert von exakt 688.494,83 Euro in den Büchern der Stadt geführt wird (Stand 2020), hergeben zum Preis von 200.000 Euro – also mit knapp 500.000 Euro Nachlass.
Werden mit diesem „Zuschuss“ vielleicht günstige Wohnungen gefördert? Mit Mietpreisbindung? Der Quadratmeter bei vier bis fünf Euro? Für sozial Schwache? Das wäre ja noch okay …
Aber nein, das schließen die Stadtplaner ganz offiziell aus: „Ein Mietpreis im Rahmen der Vorgaben des sozialen Wohnungsbaues ist wohl erkennbar nicht zu realisieren“, heißt es in der Bewertung des Konzepts der Firma Bautec im Januar 2021.
Sozial verträgliches Wohnen, wie es gerade von der SPD immer wieder propagiert worden war für das Rampenloch, wird nicht entstehen. Eine moralische Bankrotterklärung ersten Grades. Allerdings: Wen wundert das noch im Fall SPD?
Fakt ist: Wohnen am Rampenloch wird teuer. Zehn bis elf Euro Kaltmiete kalkuliert beispielsweise das Büro Parallel in seinem Szenario. Bis der erste Mieter tatsächlich einzieht, kann sich dieser Wert nochmal deutlich erhöhen. Nur Besserverdiener werden sich das leisten können.
Nein, für „sozialen Wohnungsbau“ wird der 500.000-Euro-Zuschuss nicht vergeben.
Der 500.000-Euro-Zuschuss von Mindens Bürgern dient schlicht und einfach dazu, dass die Investoren auf IHRE ZIELRENDITE von mindestens 3,5 % kommen, die sie sonst aus eigener Kraft nicht schaffen.
Eine Ungeheuerlichkeit, ja. Aber auch ein offenes Geheimnis. Denn niemand in Verwaltung und Politik widerspricht dem.
Statt zu widersprechen, spricht man lieber gar nicht darüber. Dann merkt der doofe Bürger vielleicht nichts.
Selbst Mindens Baubeigeordneter Lars Bursian erklärte auf Nachfrage in der Ratssitzung am 30. November 2020, dass es ihm gar nicht darauf ankomme, das investierte Geld wieder zurück zu erwirtschaften.
Bemerkenswert: öffentliche Almosen eines mildtätigen Baubeigeordneten an renditeschwache, bedürftige Immobilienfirmen?
Hat irgendjemand vielleicht verfolgt, wie sich Immobilienpreise in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt haben? Gerade in innerstädtischen Bereichen?
Überall gehen die erzielten Erlöse Quartal für Quartal durch die Decke. Nur der Stadt Minden gelingt es nicht, ein zentral gelegenes Filetstück mit Gewinn zu veräußern? Oder wenigstens: ohne Verlust! Das wäre ja schon mal was.
Man macht noch nicht einmal den gedanklichen Versuch, die verauslagte Summe zurückzubekommen? Sondern legt stattdessen 500.000 Euro Geld der Bürger dazu, damit sich jemand für das Filetstück findet? Verrückte Welt.
Was steckt dahinter, wenn ein öffentlicher Apparat seine Kronjuwelen WEIT UNTER WERT verjubelt? Eine vetternwirtschaftsnahe SPD? Ein Filz aus Klüngel und Konsorten?
Man findet Antworten, wenn man sich den Hintergrund der beiden verbliebenen Kandidaten im Rennen ums Rampenloch ansieht. Beide pflegen beste Beziehungen in Verwaltung und Politik.
Bettina Lauer rückte bei der Kommunalwahl im September 2020 für die Mindener SPD in den Stadtrat. Dass die im Rat nach Sitzzahl führenden Sozialdemokraten der langgedienten Genossin den Erfolg am Rampenloch verwehren werden: schwer vorstellbar.
Weil man wohl ahnte, dass selbst den Medien der Hofberichterstatter dann auffallen könnte, dass etwas faul ist, hat man rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen. Wozu ist man eine Partei mit 150 Jahren Geschichte, wenn man nicht gelernt hätte, wie das geht?
Gegenüber dem Mindener Tageblatt offenbarte die Architektin im November 2020, sie habe Interesse an der Mitarbeit im „Bauausschuss“ gehabt – also genau dem Gremium, das am 20. Januar 2021 über die Vergabe des Rampenlochs entscheiden wird. Das, so die Zeitung weiter, habe die SPD-Fraktion der Architektin aber verwehrt – wegen „Interessenkonflikten“.
Kluger Schachzug. Ehe man sich später dem Vorwurf der Klüngelei aussetzt, unternimmt man lieber vorher etwas, damit man dann umso vorwurfsfreier klüngeln kann.
Dabei hätte Architektin Lauer im Bauausschuss beim Tagesordungspunkt „Rampenloch“ wohl kaum mitreden und abstimmen können – gerade wegen Befangenheit beim Thema. Das sieht die Geschäftsordnung so vor. Sie hätte den Raum verlassen müssen und wäre später wieder hineingebeten worden.
Der SPD-Fraktion hat das offenbar nicht gereicht, um sich abzusichern – vielleicht, weil man schon damals wusste, wie man in Sachen Rampenloch entscheiden will. Deshalb hat man der Architektin schon frühzeitig den Zugang zum Ausschuss verwehrt.
Dabei wäre gerade in diesem Gremium jede fachliche Hilfe dringend vonnöten, um der Verwaltung etwas mehr Kompetenz entgegenzusetzen.
Aber so ist es in der SPD offenbar: Lieber verzichtet man auf FUNDIERTE FACHKENNTNIS in einem Ausschuss als sich den Weg zum Klüngeln zu verbauen.
Und auch die Stadtplaner der Verwaltung wissen, wie sie den Wünschen der seit vielen Jahren stärksten Partei im Rat einen Gefallen tun können.
„Seitens der Verwaltung wird daher empfohlen den dritten Schritt des IBV-Rampenloch der Fa. Bautec (…) zu übertragen“, heißt es in der aktuellen Beschlussvorlage für den 20. Januar 2021, in der das Konzept von Bettina Lauer jetzt auf 7,35 von zehn Punkten kommt. (Zeichenfehler in der oben zitierten Passage stammen aus dem Originaltext und wurden hier nicht verändert.)
Damit hat die SPD nicht nur den potenziellen Vorwurf der Parteinahme für ihre Genossin von langer Hand aus dem Weg geräumt, sondern kann auch noch auf die offizielle Empfehlung der angeblich neutralen Experten aus der Stadtplanung verweisen.
Was für ein Coup! Im Vorfeld alles doppelt und dreifach abgesichert. Da soll sich der doofe Bürger ruhig mal beschweren hinterher, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen …
Andererseits sollte man das Büro Parallel von Architekt Thomas Engel nicht unterschätzen, selbst wenn sich sein Entwurf in der aktuellen Bewertung mit 6,7 von zehn Punkten begnügen muss.
Auch Engel ist bestens bekannt in Verwaltung und Politik. Gerade in den letzten Wochen hat er viel öffentliche Wahrnehmung bekommen, weil er ein anderes, großes Interessenbekundungsverfahren der Stadt Minden (am Mittelweg) für sich entscheiden konnte.
Lauer oder Engel? Bautec oder Büro Parallel? Zwischen diesen beiden wird es sich letztlich entscheiden.
Dabei gäbe es durchaus noch EINE DRITTE OPTION. Die allerdings ist so klug, dass sie für Mindens Politik vermutlich schon deshalb nicht in Frage kommt.
Sie lautet: Das von Anfang an mit grundlegenden Fehlern aufgestellte Vergabeverfahren anhalten.
Nachdenken. Neu denken. Klug denken. Das Verfahren neu aufsetzen. Kluge Köpfe an die Spitze setzen. Kluge Kriterien entwickeln. Klüngel unterbinden. Den vollen Grundstückswert als Verkaufspreis anstreben.
Und endlich, endlich das allererste Mal die Frage stellen: Wie können wir das Beste aus dem historischen Areal am Rampenloch machen?
Damit es Nutzen stiftet für alle Bürger und die gesamte Stadt. Nicht nur für ein paar Klüngelköppe und Top-Verdiener.
Kluger Ansatz. Viel zu klug …
…ein Schelm, der Böses dabei denkt – evtl. interessant für überregionale Medien…
In den Medien der Hofberichterstatter jedenfalls findet sich kein Wort darüber. Alle in der Stadt wissen offenbar, wann sie zu schweigen haben: wenn eine günstlingswirtschaftsnahe SPD Geld verteilt.
Welch eine Ansammlung von Beleidigungen und Unterstellungen. Und wahrscheinlich alles nur, weil die eigene Lebensgefährtin nicht zum Zug gekommen ist. Interessant wäre zu wissen, ob es ein derartiges Schreiben auch gegeben hätte, wenn Astrid Engel in den Stadtrat gewählt worden wäre und ihr Entwurf den Zuschlag erhalten hätte….
Schade, dass sich nicht mit dem guten architektonischen Ansatz, sondern nur mit der Person Bettina Lauer befasst wird.
Sehr geehrte Frau Kannegiesser,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Schade, dass Sie diese faktenbasierte Analyse als „Ansammlung von Beleidigungen und Unterstellungen“ empfinden.
Wo Sie gerade von Unterstellungen sprechen: Ihre Behauptung, Architektin Astrid Engel sei „nicht zum Zug gekommen“, ist so falsch, wie Unterstellungen eben nur sein können. Tatsache ist vielmehr, dass Astrid Engel aktiv von sich aus und selbständig aus dem Verfahren ausgestiegen ist.
Mit dem „architektonischen Ansatz“, den das Konzept von Bettina Lauer repräsentiert, werden wir uns hier sicher noch ausführlich beschäftigen. Das ist in Vorbereitung.
Beste Grüße –
Edgar Wilkening